Rezension: Menschen, die wir noch nicht kennen

von Apr 17, 2023

Sokrates in Sneakern

Titel: Menschen, die wir noch nicht kennen

AutorIn: Freya Sampson

Format: Hardcover

ISBN: ‎ 9783832182816

Seiten

Bewertung:

Der letzte Romantiker

Zum Inhalt:

Libby kommt nach einer plötzlichen Beziehungspause bei ihrer Schwester in London unter. Auf dem Weg begegnet sie einem alten Mann im Bus, der ihr kurzerhand seine Lebensgeschichte erzählt und von einem Mädchen schwärmt, dass er vor 60 Jahren in derselben Buslinie kennenlernte. Libby beschloss, ihm zu helfen und wurde dabei von Dylan, Franks Pfleger, unterstützt. Leider haben sie nicht viel Zeit, da Franks fortschreitende Demenz einiges erschwert. Werden sie das Mädchen aus dem 88er finden?

Mein Eindruck:

Ich durfte dieses Buch vor dem Erscheinungstermin lesen und freue mich, es zu rezensieren, da mich die Geschichte von Frank so berührt hat, dass ich das Buch unbedingt lesen wollte.

Die Handlung beginnt im Jahr 1962, als sich Frank und das Mädchen kennenlernen, was aus seiner Perspektive erzählt wird. Danach erfolgt ein Zeitsprung in die Gegenwart und die Perspektive wechselt zu Libbys Sicht. Wir erfahren Schritt für Schritt mehr über sie und über Franks Geschichte, während weitere Charaktere, wie Dylan, der Handlung beigefügt werden.

Zwischendurch gibt es Kapitel, die aus der Sicht einer alten Dame geschrieben sind und diese Kapitel haben mich äußerst beeindruckt. Die Art und Weise, wie ihre Gedanken niedergeschrieben wurden, ist extrem authentisch. Sie redet wie ein Wasserfall, regt sich über Kleinigkeiten auf und gab mir das Gefühl, ein Gespräch mit einer wirklichen alten Dame zu führen. Generell schaffte es Freya Sampson, ihren älteren Charakteren eine stark realistische Verhaltensweise zuzuweisen und auch das Krankheitsbild von Frank ist ihr gut gelungen.

Ihr Schreibstil ist zwar ernsthaft behaftet, doch man findet auch humorvolle Beschreibungen dazwischen. Er ließ sich fließend und zügig lesen, obwohl mich die emotionalen Aspekte manchmal ausbremsten und ich mir die Augen abwischen musste.

Die Handlung des Buches machte auf mich einen runden Eindruck. Alles war irgendwie über Ecken miteinander verbunden und als ich genug Informationen hatte, erschloss sich mir auch der Sinn mancher Verzweigungen oder Erwähnungen. Diese Verbundenheit ließ eine gewisse Harmonie und Herzlichkeit  entstehen, insbesondere zwischen Libby und ihren neuen Bekanntschaften in London. Störfaktoren waren beispielsweise in ihrem alten oder familiären Umfeld zu finden, weswegen diese Gegenüberstellung deutlich zeigte, bei welcher der Gruppen sie sie selbst sein durfte.

Zu Beginn des Buches ist sie ziemlich willensschwach und strukturiert, doch sie entwickelt sich während der Suchaktion zu einer Frau, die ihren Selbstwert kennt und eigene Ziele verfolgt. Die anderen Londoner Charaktere haben auch ihre Päckchen zu tragen, aber jeder schafft es auf seine eigene Weise, dieses kleiner werden zu lassen.

Alles in allem hat mir das Buch sehr gefallen. Es ist die perfekte Mischung von Romantik, Tragik, Emotionalität und Realität, ohne die typischen Klischees zu bedienen. Mit der Punkfigur, Dylan, kritisiert die Autorin Vorurteile, durch Frank zeigt sie alltägliche Probleme im Alltag eines Dementen und durch Libby die unterschätzte Stärke der eigenen Person. Es ist schicksalhaft und nicht jede Wendung hat mich gefreut, doch so ist das Leben und genau das macht das Buch so authentisch.

 

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Auf einer einzelnen Busfahrt hatte ich mich Hals über Kopf verliebt,

und jetzt wusste ich nicht,

wie ich die Frau meines Lebens wieder finden sollte.

– Frank