Rezension: Die Körper, die sich bewegen

von Aug 11, 2023

Sokrates in Sneakern

Titel: Die Körper, die sich bewegen

AutorIn: Bunye Ngene

Format: Taschenbuch

ISBN: ‎ 9783752608816

Seiten

Bewertung:

Alles für einen winzigen Hoffnungsschimmer

Zum Inhalt:

Als Kind von seinem Vater im Stich gelassen, kämpft sich Nosa durch die Schulzeit und schneidet als einer der Besten ab. Doch nach einer unendlich erscheinenden Suche nach einem gut bezahlten Job, muss er sich eingestehen, dass er wohl nichts finden wird. Als ein alter Schulfreund in sein Leben tritt und von einer Alternative schwärmt, beschließt Nosa den beschwerlichen Weg nach Europa auf sich zu nehmen. Wird er die Reise überstehen?

Mein Eindruck:

Dieses Buch hat mich zuerst mit seinem farbenfrohen, künstlerischen Cover neugierig gemacht und schließlich mit dem Klappentext davon überzeugt, es wirklich lesen zu wollen.

Nachdem ich den Prolog das erste Mal gelesen hatte, brauchte ich eine Pause. Allein mit den 5-6 Seiten hatte es Bunye Ngene geschafft mich emotional so zu plätten, dass es mich weitere 3 Anläufe kostete, es über den Prolog hinaus zu schaffen.

Die Handlung fokussiert sich auf die Hauptfigur Nosa und bietet neben einer relativ neutralen Außenperspektive auch Einblicke in seine inneren Gedanken und Gefühle. Somit hatte ich als Leserin das Gefühl mehr von dem Geschehen mitzubekommen, ohne den Bezug zur Hauptfigur zu verlieren.

Zuerst erfährt man etwas über seine Vergangenheit, was es für mich definitiv leichter machte, Nosas Handlungen nachvollziehen zu können, dabei wurde auf seinen Charakter, aber auch die Familiendynamik eingegangen und wie sie mit ihrer finanziellen Situation versuchen umzugehen.

Dabei schafft es der Autor, immer wieder kulturelle Fakten in seine Erzählungen einzuweben und somit kulturfremden LeserInnen wie mir, den Handlungsort Nigeria näher zu bringen. Dabei hätte ich in manchen Fällen ein Glossar als hilfreich empfunden, da ich leider nicht jeden Begriff kannte.

Neben diesen kleinen Stolperfallen ließ sich Bunye Ngenes Schreibstil gut und flüssig lesen und auch seine philosophischen Gedanken haben mir gefallen. Die Dreiteilung der Handlung strukturiert die einzelnen Etappen von Nosas Reise, nimmt die LeserInnen mit in seine Gedankenwelt und porträtiert seinen Entwicklungsweg, wodurch man Einblicke erhält, die mich definitiv nicht so schnell wieder loslassen werden.

Bedauerlicherweise hatte ich zwischendurch immer mal das Gefühl, es werden Ereignisse beschrieben, die keinen starken Einfluss auf die Handlung haben und somit eigentlich nur als Füller dienen. Stattdessen wäre es schön gewesen, mehr über die Bootsfahrt oder andere Reiseetappen zu erfahren, oder wie sich Nosa auf diese vorbereitet hat.

Während des Lesens bin ich häufiger in die Illusion gerutscht, dass es sich um ein rein fiktives Buch handelt, doch leider folgte kurz darauf die Erkenntnis, dass einige Aspekte der Geschichte auch in Realität so ablaufen könnten und es mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit auch tun. Das hat mich schockiert und auch ernüchtert.

Ich kann mir gar nicht vorstellen, jede Nacht um mein Leben zu bangen oder so ungefiltert auf Gewalt und Tod zu stoßen. Jeder, der diese Reise durchgemacht hat, sich gerade mittendrin befindet oder noch plant sie anzutreten, hat meinen höchsten Respekt und ich wünsche mir, dass es eine Zeit geben wird, in der ihr es leichter haben werdet.

Abschließend möchte ich sagen, dass ich dieses Buch jedem ans Herz legen kann, der Lust auf eine authentische und dramatische Geschichte hat, bei der die Hauptfigur über sich hinauswächst und Dinge erlebt, die wir (Nicht-Betroffene) uns nicht einmal vorstellen können.

 

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Was ihn am meisten schmerzte, war nicht so sehr das Unbehagen,

das mit ihrer finanziellen Notlage einherging.

Es war das stille, aber spürbare Mitleid, das sie umgab.

(…)

Es machte sie klein, dieses Mitleid.

Es schrumpfte jeden Aspekt ihrer menschlichen Existenz

auf ein Blatt Papier zusammen,

auf dem ein einziges Wort stand: ARM.

– Nosa