Rezension: Herzklangstille

von Nov 19, 2023

Sokrates in Sneakern

Titel: Herzklangstille

AutorIn: Julia Dessalles

Format: Hardcover

ISBN: ‎ 9783038800736

Seiten

Bewertung:

Saranghae

Zum Inhalt:

Über eine selbsterbaute Telefonzelle möchte Junes Vater ihr ermöglichen, mit ihrer verstorbenen Mutter in Kontakt zu bleiben. Diese wird schnell zu einem Ort an den sich June zurückzieht, wenn sie etwas auf dem Herzen hat. Über Jahre hinweg spricht sie in den Hörer ohne eine Antwort zu erhalten, bis ihr eines Tages ein Junge antwortet. Er stellt sich als Lucas vor und June sucht regelmäßig die Telefonzelle auf, um mit ihm reden zu können. Sie freunden sich an, obwohl ihre Verbindung eigentlich nicht möglich sein dürfte. Als June auf einen Kapuzenpulli-Typen an der Bushaltestelle aufmerksam wird, ahnt sie nicht, in welcher Verbindung dieser zu ihrem neuen Freund steht und inwiefern sie in dieser Geschichte eine Rolle spielt.

 

Mein Eindruck:

Innerhalb der letzten 3 Jahre bin ich zu einem Arctis-Verlag-Fan geworden und aus diesem Grund musste ich mich einfach für Herzklangstille bewerben. Neben dem wirklich wunderschönen Cover hat auch der Klappentext mein Interesse geweckt.

Anhand des Prologs wird gleich zu Beginn Spannung aufgebaut und im Anschluss werden die Telefonate einiger Jahre von June geteilt,  die ihre Entwicklung beobachtbar machen.

Im Teenie-Alter bleibt die Handlung stehen und wir lernen ihren Alltag, wie auch ihren Dad und Wohnort kennen. Die Beziehung der beiden ging mir richtig nah, da sie wirklich stark aufeinander Acht geben und ihr Dad genau weiß, wie er sie aufheitern kann. Besonders gefallen hat mir ein abendliches Ritual, das sie während des Essens manchmal durchführen – das Geisterdinner, doch mehr möchte ich diesbezüglich nicht verraten, falls du mit dem Gedanken spielst, das Buch selber zu lesen.

June ist aus vielen Gründen ein unglaublich starker Charakter und ihre Einfühlungsgabe hat mich beeindruckt. Sie geht nicht nur extrem reif mit dem Verlust ihrer Mum um (wobei ihr Vater natürlich eine entscheidende Stütze darstellt), sondern, sie weiß oftmals ganz genau wie sie ihr Gegenüber einschätzen muss oder wie es der Person geht. June ist selbstreflektiert, neugierig, intelligent, authentisch, selbstbewusst und künstlerisch begabt, ohne arrogant oder eitel rüberzukommen.

Lucas ist ein wahrer Sonnenschein, verträumt, fröhlich und offen. Mir hat gefallen, wie June durch ihn, einen stärkeren Draht zum Leben finden konnte. Cole hingegen ist eine Person gefüllt mit Schmerz und Zweifeln, doch das ist nur ein dunkler Strudel, aus dem er im Verlauf des Buchs langsam wieder herausfindet.

Besonders gefallen hat mir, wie unterschiedlich die drei Protagonisten sind und wie stark sie einander beeinflussen wieder mehr zu sich selbst zu werden. Die Entwicklungen von June, Cole und Lucas zu beobachten hat mir unglaublich viel Freude bereitet.

Dank des flüssigen Schreibstils und der kreativen Details (Geisterdinner, Telefonzelle, etc.) bin ich nur so durch die Seiten geflogen und kam schnell an den Punkt, an dem ich nicht aufhören wollte zu lesen, aber auch nicht, dass das Buch endet. Julia Dessalles hat es geschafft, eine wirklich tragische Handlung mit so viel Lebensfreude, Farbe, Humor und Poesie zu versehen, dass ich mich nicht entscheiden konnte zwischen Lachen oder Weinen.

Solche Emotionen hat zuletzt Cinder&Ella von Kelly Oram in mir ausgelöst und nachdem ich Herzklangstille beendet hatte, ist ein Damm gebrochen und meine Augen wollten nicht aufhören kleine Wasserfälle zu produzieren. Als hätten sich die ganzen Empfindungen bis zum Ende angestaut, um dann auf einmal über mir zusammenzubrechen.

Es ist so schwer in Worte zu fassen wie sehr mir dieses Buch gefallen hat, aber ich hoffe ich konnte es ein wenig deutlich machen.

Herzklangstille ist ein herzzerreißend schönes Buch, in dem respektvoll mit dem Thema des Verlustes einer geliebten Person umgegangen wird und welches mich zutiefst berührt hat, so stark, dass ich es wohl nie vergessen werde.

 

 

{

Weißt du, es gibt einen Unterschied

zwischen Einsamkeit und Alleinsein.

Wenn man allein ist, ist man all-ein:

mit allem einig, auch mit sich selbst.

Einsam zu sein bedeutet, dass man verlassen ist.

Ich bin zwar allein, aber durch dich nie einsam.

– Lucas